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Kannst du eine*n einzige*n heterosexuelle*n Choreografin*en nennen? Denn wir können es nicht. Merce Cunningham, Yvonne Rainer, Josephine Baker, Suleika Aldini, Loie Fuller, Katherine Dunham… Die Liste der Tanzschaffenden, die von furchtlosen Bisexuellen bis hin zu aufbrausenden Lesben, stolzen Perversen, Trans-Ikonen und flamboyanten Schwulen reicht, scheint endlos zu sein. Doch es wird selten – wenn überhaupt – in Betracht gezogen, wie das Geschlecht oder die sexuelle Orientierung der Menschen die Art und Weise beeinflusste, wie sie lebten, arbeiteten und sich als Tanzschaffende in der Welt bewegten.
In diesem Theorie-Workshop führen die Choreografin Claire und der Tanzhistoriker Eike in zentrale Konzepte und Figuren der queeren Tanzgeschichte ein. Sie sprechen über bekannte und weniger bekannte queere Persönlichkeiten im Tanz – von gefeierten Lieblingen bis hin zu obskuren Sternchen – und schlagen eine Lesart des Archivs vor, die sich von geradlinigen Erzählungen löst und stattdessen ein komplexes Netz aus Affekten und trans-temporalen Sensibilitäten eröffnet. Dies ist eine Einladung, den chaotischen Abstellraum der Tanzgeschichte zu betreten: ein Portal, das ein verschwitzter Darkroom sein kann, in dem man mit Geistern der Vergangenheit flirtet, ein Spiegel-Labyrinth, in dem man sich verliert und wiederfindet – aber auch das grell ausgeleuchtete, neonkalte Staatsarchiv, in dem sich die Spuren queerer Vorfahr*innen nur in Störungen, Auslassungen und Zwischenräumen andeuten.
Wir diskutieren, wie mit dem Ballast der Vergangenheit umzugehen ist – und stellen die problematische Praxis infrage, queere Identitäten retrospektiv auf historische Figuren zu projizieren. Wir erkennen sowohl das aufregende als auch das gewaltvolle Potenzial des Archivs an und fragen: Wie wurde Tanzgeschichte hetero-normiert und weißgewaschen – und wie könnte sie anders erzählt werden? Wie sieht ein queeres Archiv aus? Und wenn es keine Freude bereitet – sollen wir alles wegwerfen oder gibt es nachhaltige Recyclingstrategien für queere Bewegungen?
Der Workshop wird in Englisch abgehalten. Es wird kein Glitzer geben, aber PDFs. Wir nutzen Video- und Fotomaterial und führen einige kurze, optionale somatische Übungen ein, um über den Körper zu reflektieren. Teilnehmer*innen erhalten auf Wunsch einen Reader mit Schlüsseltexten und weiterführenden Materialien. Vorkenntnisse in Tanzgeschichte oder -theorie sind nicht erforderlich. Hast du spezielle Wünsche oder Bedingungen? Dann teile uns diese bitte vorab mit.
Aufgrund der frühen Beginnzeit sind die ersten 30 Minuten des Workshops (09:30 – 10:00) für ein „sanftes Ankommen“ vorgesehen: Es wird Kaffee bereitgestellt, und du kannst diese Zeit nutzen, um nach und nach einzutreffen, in ausgewählten Büchern und Artikeln zu stöbern, Archivvideos in deinem eigenen Tempo anzusehen, dich zu dehnen usw.