SERVICE
Was hat Tanz mit Diskurs zu tun? Haben wir davon nach 30 Jahren Poststrukturalismus, Semiotik, Identitätspolitiken und Affekttheorie nicht genug? Lasst uns tanzen und uns mit Freude verbinden statt zu reflektieren. Aber vielleicht brauchen wir es, Verbindungen nicht nur zwischen Geist und Körper, sondern genauso zwischen Körper und Geist zu finden. Die Frage ist nicht, ob oder ob wir uns nicht mit Diskurs, Vernunft und Wissen beschäftigen, sondern wie und auf welche Ziele hin?
Unsere künstlerischen Anstrengungen mit Theorie zu rechtfertigen ist so uncool. Es ist für unsere Kunstform entwertend, Performance durch Philosophie aufzuputzen. Kritische Theorie in Vermählung mit Tanz kann leicht didaktisch oder zur Selbsthilfe-Literatur werden. Mit der Intensivierung künstlerischer Forschung, mit KI unterstützten Subventionsansuchen und der Notwendigkeit, nervöse Theaterdirektor*innen zu befriedigen, die alle Kästchen des aktuellen Policy-Dokuments ankreuzen wollen, wird es dringlich, nachzudenken und Diskurs anders zu verkörpern. Zu einem bestimmten Zeitpunkt, noch nicht so lange her, war Theorie in der zeitgenössischen Tanzlandschaft provokant. Heute wird sie für gegeben genommen und wurde sogar zur Dienstleistung.
Etwas zu definieren, kann ausschließend sein, aber es kann genauso der Ausgangspunkt für Widerstand und Veränderung sein. Wenn nicht wir es sind, die Tanz machen und tun, werden andere uns definieren und dann ist es zu spät. Was meinen wir, wenn wir von performativ reden oder schreiben? Was ist tatsächlich der Unterschied zwischen Tanz und Choreografie? Choreografie als erweiterte Praxis ist nicht synonym mit erweiterter Choreografie? Was ist der Unterschied zwischen Subjektivität und Identität? Was genau ist ein Konzept und ist es dasselbe wie konzeptuell? Mein Gott, was ist Affekt oder Praxis? Oder posthuman, Posthumanismus, das Anthropozän oder Empathie?
All das und dazwischen tanzen wir, wir tanzen viel, zu weicher emotionaler Musik, sodass wir den Tränen nahe sind und vielleicht sogar für einen Moment gemeinsam weinen.
Mårten Spångberg