Research 2018

Research 2018

Maria Francesca Scaroni
technopeasantry

© Ingmar Begman

Field Project
16.7.–20.7.
10:00–17:00
TQW 1

technopeasantry

Tanzen ist eine Ekstase-Technik. Sie ist nicht ausgestorben, allerdings gab es schon Zeiten in denen wir mehr davon sahen. Barbara Ehrenreich fragt sich in Dancing in the Streets, a History of Collective Joy: „Wenn „Techniken“ der Ekstase ein wichtiger Bestandteil des menschlichen Kulturerbes sind, warum haben wir sie vergessen – sofern wir das wirklich haben?“.

Ob aus hoch-spezialisierten Tanzformen oder aus der freien Bewegung, wir wissen,
dass das Tanzen ein erhöhtes Bewusstsein erzeugt. Es kann das Nervensystem heilen bzw. eine bessere Reaktionsfähigkeit bewirken und erhält unsere Gewohnheit zu sozialisieren, da das Besondere daran ist, dass wir es nur miteinander lernen können. Sowohl in einem Studio, auf einem Platz, sogar online, es sind immer andere Körper mitbeteiligt. Tanzen ist immer eine Form der Anpassung an die Umgebung. Im zeitgenössischen Tanz, bei somatischen Praktiken sowie bei Raves/Ritualen genießen wir es allein zu sein, zusammen zu sein oder gemeinsam allein zu sein. Wir sind daran interessiert, diese Techniken zu ergründen, um diese Perspektive mit anderen Menschen im Studio sowohl zu kultivieren, als auch zu verändern: wir wollen unsere individuelle Subjektivität ausleben und uns dennoch immer bewusst, von anderen und der Umgebung (elektromagnetische Felder, Wellen, Sounds, Gerüche, Konzepte, Geschichten...) bewegen lassen. Wir haben den Wunsch die Wurzeln wieder zu erlangen, uns zu ent-atomisieren und „high“ zu sein, zu den uralten Tanz-Wurzeln zu reisen, basierend auf den Technologien des Post-modernen Tanzes, des somatischen Wissens** und des Techno/der elektronischen Musik.
** genützt werden Zugang und Material aus Contact Improvisation, auf Releasetechnik basierender Körperarbeit, Oshos Dynamische Meditation, Trance, Improvisations-Scores, schamanische Reisen, Polyrhythmen und tiefgehendes Zuhören.

Wir wollen uns nicht nur gemeinsam übermüden oder nur tanzen. Es geht eher um eine hybride Form zwischen dem Geschichtenerzählen durch Improvisation, Live-Gestaltung, Rave, Gestaltwandeln als ganzer Körper, Zusammensein während man das Gleiche tut, Zusammensein während man Unterschiedliches macht, einen Spielraum haben, um Zärtlichkeit zu praktizieren und unsere Verluste zu betrauern. Wir üben und performen uns selbst für uns selbst. Das alles ist gleichzeitig das Training, die Performance, das Ritual dieser bestimmten Gruppe. Die beabsichtigte Manifestation des Wunsches am Leben zu sein. Keine Flucht, eher eine Landung des Fluges des Bewusstseins im Jetzt. Wir fragen uns: Was kann Tanz? Was kann er bewirken? Mittels Konversationen, des Bewegens von Bildern und dem Mischen von Liedern legen wir, immer wieder, unsere temporäre kollektive Erinnerung fest und entdecken Tanz- und Musikimprovisation als Kraftort für die Heilung unseres kollektiven Unterbewusstseins. (Es kann sein, dass wir scheitern).

In einem Teil des Researchprojektes geht es um geführte Reisen, das Erleben körperlicher Zustände, der andere Teil ist eine Performance (keine öffentliche), ein Skript, das wir gemeinsam schreiben. Das Researchprojekt findet von 10:00 bis 17:00 Uhr statt, mit einer einstündigen Pause.

Wir bitten die Teilnehmer_innen ein Interesse an diesem Thema zu erwecken, indem sie die obengenannte historische Perspektive auf das ekstatische Verhalten (Ehrenreich) und einige Artikel (die bereitgestellt werden) lesen, damit es eine gemeinsame Basis für die Recherchearbeit gibt. Außerdem würden wir gerne von allen Teilnehmer_innen Materialien sammeln, die uns nützen, den Inhalt aufzubauen, um daraus dann das Bewegungs- und Soundmaterial zu entwickeln.

Daher bitten wir darum, bei der Anmeldung für dieses Researchprojekt folgendes zu schicken:

  1. 20 Zeilen Text, Statement/Improvisation, beginnend mit:  „I dance because............, I dance because......, I dance because.....” (kann auch in der eigenen Sprache sein).
  2. Für die gemeinsame Woche im Juli: 1 bis 5 Bilder zu allen oder mindestens einem der folgenden Themen: Utopie Dystopie Entropie – die Bilder haben etwas mit der persönlichen Biografie zu tun, entweder mit der eigenen (also private Erlebnisse) oder sie sind Teil des sozialen Lebens (z. B. Nachrichten oder historische Begebenheiten, die dich berührt haben, oder Werbung, die dich beeinflusst hat), oder sie beschreiben dich als Künstler_in (Archivbilder aus Tanz, Musik, Fotografie, Film, die dich ansprechen). Du kannst über diese Bilder sprechen, sie können eine flache zweidimensionale Sicht auf eine größere Geschichte sein, die du anderen erzählen möchtest. Jpeg (also Standbilder) oder animierte gifs. (Ein Tipp beim Aussuchen der Bilder: sie beinhalten Landschaften und Figuren von Menschen, Tieren, Pflanzen und der unbelebten Welt, stammen aus dem persönlichen und kollektiven Archiv, von Vorfahren, aus der Kunst – sie werden durch eine Gruppe an Leuten belebt werden. Deshalb suche am besten nach Bildern, die eine Art von Ansammlungen, Mehrstimmigkeit, Muster, die dafür interessant sein könnten, um sie zum Leben zu erwecken. Es können natürlich auch Zeichnungen sein!)
  3. Ein Lied, oder ein Musikstück oder ein Sound, das/der dir einen Sinn zum Leben gibt, den du mit Widerstand verbindest, oder der dir Ruhe und Frieden gibt.

Beachte: Menschen jedes Alters und jeder körperlichen Fähigkeit sind willkommen. Diese Arbeit spricht Menschen an, die Tanz und Performance, Musik oder Theater sowie Improvisation mögen. Das Researchprojekt könnte auch für diejenigen interessant sein, die in Schulen unterrichten oder Gruppen für den Zweck der Erholung oder Heilung anleiten, genauso wie für Denker_innen, die zwischen dem Vergnügen an Spekulation und dem Abdriften bei eindringenden Erfahrungen hin und her schwingen.

Einiges an Kontext und Gedanken (in englischer Sprache):

Fabiane M. Borges (a.o.) in an interview about technoshamanism (full interview in the link below):

"All communication media, including internet robots, make use of appropriation of unconscious tactics to promote their ideals of world. In this dispute of which world do we want, the collective unconscious is one of the most elementary fields, since it’s where desires, values, ethics, ideological projects and conversions in every level are formed. In this case, technoshamanism with its theories, construction of networks, transcultural projects and immersions tends to fortify a network of free collective unconscious, as well to promote mental health. It is worthy to remember that we work with the idea of a machinic unconscious from schizoanalysis, where the unconscious is seen as a factory for production of world desires, and this factory is also made by external forces, that direct these unconsciousnesses by the intensity of their interferences (control algorithms in social media, memes, association between business and political struggles, etc). So that the building of unconscious communities produces a strength that is capable of resisting against noxious demands and resize the standard of collective desire, thus intervening in the sociopolitical realm; it’s the resistance itself against the zombifying promoted by capitalism. This communities of unconsciousnesses are built from collective experiences, which include work with immersions, dreams, experience of enhancing perception states, that we could call the clinical part of technoshamanism (social clinics for the future)." 
https://tecnoxamanismo.wordpress.com/2018/06/05/questionnaire-about-technoshamanism/

The term technopeasantry came up after we read and then performed a version of the anarcha-feminist sci-fi novel Woman on the edge of Time (1976), by Marge Piercy:

"In Woman on the Edge of Time my time traveller is not a white man. It is a Chicana woman who has had a hard life, but she is what they call a catcher: a woman with an unusually open and receptive mind. And she is the person who visits the future, often as an escape from an agonising present. When Connie first goes into the future she is extremely disappointed. Her image of the future is extremely mechanised, and when she arrives in a place in the future, which actually is a town in Massachusetts, it is a village. At first glance it really looks to her very primitive. They are all peasants, goats and chickens running around and so forth. As she gets to know the place more, the more tedious work is all mechanized. The manufacturing is mechanized, but the agriculture is not. The agriculture and the care-taking is all completely unmechanised. I am not a writer who is afraid of machinery per se, afraid of technology at all. I figure I wouldn't be alive without technology."Woman on the Edge of Time" was an attempt to make concrete many of the ideas I liked best in the social movements of the time it emerged: the women's movement, the new left, Native American movement, etc. And to make vivid and real those ideas, to make them flash."http://www.republicart.net/disc/aeas/piercy01_en.htm

and after that, bits of a wider puzzle started to drop in, and lately we discovered that here is a whole movement that echoes the book’s world, called technoshamanism.

Fundamentally, we find ourselves in a state of constant war, a fierce dispute between different visions of the future, between social and political ontologies and between nature and technology. In this sense, technoshamanism manifests itself as yet another contemporary network which tries to analyse, position itself with respect to and intervene in this context. It is configured as a utopian network because it harbours visionary germs of liberty, autonomy, equality of gender, ethnicity, class and people and of balance between the environment and society that have hitherto characterized revolutionary movements. It is dystopian because at the same time it includes a nihilistic and depressive vision which sees no way out of capitalism, is disillusioned by neoliberalism and feels itself trapped by the project of total, global control launched by the world’s owners. It sees a nebulous future without freedom, with all of nature destroyed, more competition and poverty, privation and social oppression. And it is entropic because it inhabits this paradoxical set of forces and maintains an improbable noise – its perpetual noisecracy, its state of disorganization and insecurity is continuous and is constantly recombining itself. Its improbability is its dynamism. It is within this regime of utopia, dystopia and entropy that it promotes its ideas and practices, which are sometimes convergent and sometimes divergent.
https://tecnoxamanismo.wordpress.com/2018/06/05/questionnaire-about-technoshamanism/

Utopia, dystopia and entropy, could also be our guidelines, or undercurrents.
Improvisation is magic, it has the power to offer a ride on a script that hasn’t been written, a leap into mystery, and at the same time one gets to shuffle in the bag of tools and intuitive knowledge that will allow to journey on inside that mystery.

"Whence the force of Spinoza's question: 'What can a body do?', of what affects is it capable? This is the question: what is the body capable of? What affects are you capable of? Experiment!, but you need a lot of prudence to experiment. We live in a world, which is generally disagreeable, where not only people but the general powers have a stake in transmitting sad affects to us. Sadness, sad affects, are all those which reduce our power to act. The established powers need our sadness to make us slaves. The tyrant, the priests, the captors of souls need to persuade us that life is hard and a burden. The powers, that be need to repress us no less than to make us anxious or, as Virillo says, to administer and organize our little fears. The long, universal moan about life: the-lack-to-be which life is...... In vain someone says, ‘let’s dance’; but we are not really very happy. Those who are sick, in soul as in body, will not let us go, the vampires, until they have transmitted to us their neurosis and their anxiety, their beloved castration, the resentment against life, filthy contagion. It is all a matter of blood. It is not easy to be a free man, to flee the plaque, organize encounters, increase the power to act, to be moved by joy, to multiply the affects which express or encompass a maximum of affirmation. To make the body a power which is not reducible to the organism, to make thought a power which is not reducible to consciousness." from Jan Ritsema’s Letter on Improvisation http://sarma.be/docs/807
Maria F. ScaroniMarc Lohr
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