PROGRAMM
Signé, gezeichnet: Mathilde Monnier. Die französische Choreografin beglaubigt mit ihrem Namen, mit dem sie das Stück für das Publikum unterzeichnet, dass sie die Autorin „ihres“ Stücks ist. Doch was bedeutet eine Unterschrift als Zuschreibung einer Choreografie, wenn diese sich mit der Arbeit eines anderen Künstlers auseinandersetzt? Was stammt in diesem Fall von Mathilde Monnier selbst, was von ihrem Lehrer und Übervater, mit dem sie sich hier zum ersten Mal in einer Arbeit explizit beschäftigt? „Signé“ steht ganz im Zeichen von Merce Cunningham. Es ist eine Arbeit „im Stil von“ oder „nach“ der Schreibweise des wohl einflussreichsten Choreografen des 29. Jahrhunderts. Das Stück stellt die Frage nach dem Eigenen und dem Fremden, das im Inneren der eigenen Person, ihres Denkens und ihrer Arbeit immer schon am Werk ist. Doch wie kann man über die Arbeit eines anderen arbeiten, ohne ihn zu zitieren, zu kommentieren oder gar anekdotisch Geschichten über ihn zu erzählen? Mathilde Monnier nennt „Signé“, das sie im Auftrag von tanz2000.at entwickelt hat, daher auch „ein unmögliches Stück“. Doch genau diese Unmöglichkeit fasziniert sie.
In den achtziger Jahren hat Monnier, die in Montpellier in einem alten Ursulinenkloster das Centre Chorégraphique leitet, in den Merce Cunningham Studios in New York studiert. Von der immensen Freiheit, die Cunninghams Verfahren der Bewegungsfindung für den Tanz bedeutet, hat auch sie profitiert. Doch nach ihrer Rückkehr nach Frankreich empfand sie die unhinterfragte Dominanz des amerikanischen Tanzes dort wiederum als zu einengend. Also warf sie den Blick auf die andere Rheinseite und wandte sich dem deutschen Tanz zu. Zu Musik von Kurt Weill choreografierte sie ein Stück, das die ausladenden großen Armbewegungen des Ausdrucktsnzes aufgriff. In der Konfrontation mit dem Fremden, dem in einer bestimmten Kultur und zu einer bestimmten Zeit Ausgeblendeten und Vergessenen, hat Matilde Monniers Arbeit seither ihre Prägung gefunden. Wiederholt hat sie sich mit dem afrikanischen Tanz und seinem ganzheitlichen Körper auseinandergesetzt, dem sie 1991 in „Pour Antigone“ oder 1997 in „Arrêtez, arrêtons, arrête!“ den geometrischen Tanzkörper der westlichen Kultur gegenüberstellte. Für „L’Atelier en pièces“ hat sie an der Seite von Ärzten vier Jahre lang das Bewegungsverhalten von autistischen Menschen erforscht. Dabei ging es ihr nicht um die psychologische Seite der Krankheit, sondern um die Energie und den Bewegungsrhythmus, mit dem die Menschen Räume in Besitz nehmen. Mathilde Monnier arbeitet am Fremden innerhalb der Geste selbst.
Unschwer ist darin der Einfluss Cunninghams zu erkennen. Zwei Aspekte seiner Arbeit haben sie seit ihrem Studium in New York stets begleitet: die Unabhängigkeit der Bewegung von jedem Deutungsmuster und die absolute Ruhe – die extrem ruhige Spannung –, die Cunninghams Choreografien an jedem Punkt ausstrahlen. Für Mathilde Monnier lässt sich diese Intentionslosigkeit nur über die Musikalität der Bewegung herstellen. Nur über die Arbeit an Rhythmus und Phrasierung vermag der Tanz seine ureigene wahre Geschichte zu erzählen. In „Signé“, einem, wie sie sagt, „Visuellen Gedicht“, greift sie diese beiden Aspekte wieder auf. Dabei teilt sie das Publikum in zwei Hälften. Die einen sitzen der leicht erhöhten Bühne in der traditionellen Position des Zuschauers frontal gegenüber, während die anderen auf Kissen auf der Bühne Platz nehmen dürfen. Monnier macht das Beobachten zu ihrem Thema und greift es auch in der Szenografie ihres Stücks wieder auf. Bewegliche Spiegel brechen die Bewegungsbahnen der Tänzer. Je nach dem Blickpunkt der Zuschauer verschwinden, verformen oder vervielfältigen sich ihre Körper, bis eine regelrechte Explosion von Bildern und Perspektiven eintritt. „Signé“ arbeitet mit Cunningham an der Fragmentierung von Raum, Zeit und Körper, die aus ihrem linearen und kausalen Zusammenhang gelöst werden. In einer nach-cunninghamschen Volte allerding bezieht sich die Choreografin als Autorin selbst in die Fragmentierung, die sie inszeniert, mit eine: Signé, gezeichnet: Mathilde Monnier.
Spielort:
Sofiensäle II
Termine:
03. August 2000, 21:00
05. August 2000, 21:00