Am Sonntag, dem 11. August 2024 wurden im Rahmen einer Zeremonie im Odeon die Gewinner*innen des 2018 ins Leben gerufenen ImPulsTanz – Young Choreographers’ Award gekürt:
Die Künstlerinnen können sich über ein Preisgeld in Höhe von 5.000 Euro und eine zweiwöchige Artistic Residency bei ImPulsTanz 2025 freuen.
Die diesjährige internationale Jury setzt sich aus Kuratorin, Dramaturgin und Autorin Jette Büchsenschütz, der Kuratorin Anne Faucheret und dem Choreografen und Performer Raja Feather Kelly zusammen. Sie begründen ihre Entscheidung wie folgt:
Als Jury der [8:tension] Young Choreographers’ Series war es uns eine Freude und ein Privileg die vielfältigen Arbeiten einer jungen Generation von Choreograf*innen und Performer*innen kennenzulernen.
Wir haben Stücke gesehen, die sich mit der Politik des Blicks auseinandersetzen, den objektivierenden weißen-männlichen Blick hinterfragen, neue (kollektive) Formen der Aufmerksamkeit imaginieren, Raum geben, um unsere sinnliche Wahrnehmung zu erweitern, in ungewöhnlichen Zeitlichkeiten zu verweilen und sich auf unbekannte Begehren einzulassen: Performances als introspektive Experimente, rituelle Trancezustände, dystopische Zukunftsszenarien, Reisen ins Jenseits oder sozialer Spiegelraum. Der Reihe gelang es, eine Polyphonie von Werken zu präsentieren, die unsere Aufgabe als Jury zwar anspruchsvoller, aber umso spannender machte. Dafür danken wir der künstlerischen Leitung Breanna O’Mara und Chris Haring sowie dem Festivalteam – und besonders den eingeladenen Künstler*innen.
Als Jury sind wir uns bewusst, dass Kuratieren immer selektiv ist. Während manche Stimmen berücksichtigt werden, werden andere ausgeschlossen. Als Kurator*innen und Juror*innen tragen wir daher eine Verantwortung. Kuratieren umfasst mehr als die Auswahl und Präsentation von Werken; es erfordert Sorgfalt, Fürsorge, Kontextualisierung und ein Bewusstsein für die fragilen Beziehungen zwischen Künstler*innen, Publikum und Institutionen. Kuratieren bedeutet auch, sich der eigenen Voreingenommenheit und Positionierung bewusst zu werden und daran zu arbeiten, einen Raum zu schaffen, in dem drängende Fragen offen angesprochen und diskutiert werden können – besonders in der heutigen Zeit.
In der Auseinandersetzung mit den ausgewählten Arbeiten untersuchten wir die choreografischen Erzählungen, die sie antreiben; wie Bewegung verkörpert wird, sowie ihre Ansätze in Bezug zu Repräsentation, Produktion und Rezeption. Wir berücksichtigten die strukturellen und geopolitischen Kontexte der einzelnen Stücke und haben nicht zuletzt erwogen, wie unsere eigenen Hintergründe und Erfahrungen unsere Wahrnehmung und unser Verständnis der Arbeiten prägen. Auch wenn wir nicht immer einer Meinung waren, so empfanden wir es als Bereicherung, unsere Erkenntnisse, Erfahrungen und natürlich auch unsere subjektiven Sichtweisen miteinander zu teilen.
Das Festival hat alle elf [8:tension]-Choreograf*innen allein schon durch ihre Programmierung zu Gewinner*innen gemacht. Als Jury haben wir beschlossen, eine künstlerische Position nicht allein für ihre Leistung zu würdigen, sondern für das Interesse, das sie in uns geweckt hat, mit dem Wunsch, diese weiter zu unterstützen.
Zwei Werke sind für uns besonders hervorgetreten, die überzeugende Auseinandersetzungen mit dringlichen Themen präsentieren, unsere Komfortzone erschüttern, und dabei auf jeweils ganz eigene Weise die Grenzen von Choreografie erweitern. Daher haben wir uns entschieden – und die großartige Gelegenheit erhalten – beide künstlerischen Teams und choreografischen Stücke gleichermaßen zu ehren. Beide Arbeiten unterscheiden sich in jedem Aspekt voneinander: Choreografie, Bildsprache, Dramaturgie und ihre Herangehensweisen an Körper-und Affektpolitik.
Deva Schuberts Glitch Choir überzeugte uns durch ihre präzise gestaltete Komposition sowie das subtile, mehrschichtige und zugleich befremdlich herausfordernde Zusammenspiel von Klängen, Körpern und Emotionen. Wir sind tief beeindruckt von der treibenden Kraft der glitch-artigen Klanglandschaft, die Körper und Räume durchquert, nachhallt und sich bricht, wodurch zugleich Desorientierung, Verschiebung und eine tiefe Verbindung zu kollektivem Begehren und Trauern sowie deren transformativem Potenzial erfahrbar werden.
Viní Ventania, Vitòria Jovem / Irmãs Brasils Eunuchs bietet uns eine herausfordernde, beunruhigende und hochpolitische Erfahrung, die Empfindsamkeit und Verwundbarkeit mit Bedrohlichem und Unschuldigem verhandelt. Ob als Meerjungfrauen, Nymphen, Hengste oder Dämonen – Eunuchs hält sowohl das Publikum als auch sich selbst in Bewegung und in ihrer Welt gebannt. Wir sind tief beeindruckt von den Risiken, die sie eingehen, indem sie sich der Entblößung aussetzen, Blicke halten und das Publikum aktiv mit seiner stillen Komplizenschaft konfrontieren.
Nominiert für den ImPulsTanz – Young Choreographers’ Award waren Arbeiten einer jungen Generation von Choreograf*innen, die in den letzten fünf Wochen im Rahmen der [8:tension] Young Choreographers’ Series bei ImPulsTanz präsentiert wurden. Insgesamt neun Produktionen boten dem Publikum einen facettenreichen Querschnitt gegenwärtiger Trends und neuer Entwicklungen aus dem Bereich Tanz und Performance. Das diesjährige Programm wurde kuratiert von Breanna O’Mara und Chris Haring.
Die [8:tension] Young Choreographers’ Series präsentiert seit dem Jahr 2001 innerhalb des ImPulsTanz – Vienna International Dance Festival Arbeiten von Newcomer*innen. Zum fünften Mal wurde dieses Jahr der ImPulsTanz – Young Choreographers’ Award unter ihnen vergeben. Als dessen Vorbild gilt der bis 2017 in Wien und als Teil des von der Europäischen Union geförderten Projekts Life Long Burning ausgelobte Prix Jardin d’Europe.