PROGRAMM
Sidi Larbi Cherkaoui lässt sich in keine Schublade stecken: Choreograf, Opernregisseur, Tänzer, Schauspieler, Bühnenbildner, Komponist. Er ist künstlerischer Leiter des Ballet du Grand Théâtre de Genève (und ehemaliger Leiter der Ballettabteilung des Opera Ballet Vlaanderen) sowie von Eastman, seiner zeitgenössischen Tanzkompanie in Antwerpen. Zudem ist er Associate Artist am Sadler’s Wells Theatre in London und am Théâtre National de Bretagne in Rennes.
Cherkaoui könnte genauso gut im Louvre anzutreffen sein, wo er ein Musikvideo für Beyoncé und Jay-Z choreografiert (das für die MTV Music Video Awards 2018 nominierte Apeshit), wie an der Bayerischen Staatsoper in München, wo er eine radikale Version von Jean-Philippe Rameaus barockem Opus Les Indes galantes (2016) inszeniert. Vielleicht arbeitet er aber auch im Shaolin-Tempel in Song Shan, Henan, an der Seite eines Bataillons von Kung-Fu-Kriegsmönchen und des Bildhauers Antony Gormley (Sutra, 2008). Oder im Bunkamura-Theater in Tokio, um Naoki Urasawas und Takashi Nagasakis preisgekrönte Manga-Serie in ein kinetisches, „bewegungsmagisches“, hochaktuelles Theaterstück zu verwandeln (Pluto, 2015).
Der Drang zum Dialog und zur Kollaboration ist eine weitere Konstante von Cherkaouis künstlerischer DNA. 生长genesis (2013) mit der chinesischen Tänzerin Yabin Wang, Dunas (2009) an der Seite der Flamenco-Expertin María Pagès, zero degrees (2005) mit dem damaligen Kathak-Wunderkind Akram Khan und OOK (2002), bei dem Nienke Reehorst und Cherkaoui mit den Schauspieler*innen des Theater Stap zusammenarbeiteten, sind nur einige Beispiele. In jüngerer Zeit tat er sich mit dem irischen Traditional-Dance-Experten Colin Dunne für das Duett Session (2019) zusammen und führte Regie bei An Accident / A Life (2024), einem Solo für Marc Brew, das die Geschichte seines Autounfalls erzählt, bei dem er in Sekundenbruchteilen vom Balletttänzer zum Querschnittsgelähmten wurde.
Die zahlreichen Auszeichnungen, die er erhalten hat, spiegeln diese genreübergreifende Produktivität wider. Dazu gehören ein Jacob’s Pillow Dance Award (2022), zwei Olivier Awards (2011 für Babel(words) mit Damien Jalet und 2014 für Puz/zle), drei Tanz Awards für den besten Choreografen (2008, 2011, 2017), ein Fred & Adele Astaire Award für Joe Wrights Oscar- und BAFTA-nominierte Verfilmung von Anna Karenina (2012) und der Nijinsky Award als Promising Choreographer 2002 für Rien de Rien, seine erste abendfüllende Produktion.
Auch jenseits des Tanzes hat Cherkaoui Anerkennung gefunden: 2009 erhielt er den Kairos-Preis der Alfred Toepfer Stiftung für seine künstlerische Philosophie und sein Streben nach kulturellem Dialog. 2016 erhielt er die Ehrendoktorwürde der Universität Antwerpen und 2018 den Europe Prize Theatrical Realities für „sein unermüdliches Engagement in neuen Kollaborationen mit Künstler*innen aus aller Welt". 2019 wurde ihm von der französischen Regierung der Titel „Commandeur dans l’ordre des Arts et des Lettres“ verliehen. 2020 wurde er für einen Tony Award in der Kategorie „Beste Choreografie“ nominiert, für seine Arbeit am Musical Jagged Little Pill, basierend auf dem gleichnamigen Album von Alanis Morissette. 2023 erhielt er von der flämischen Regierung die Auszeichnung Ultima for General Cultural Merits; in diesem Jahr wird Sidi Larbi Cherkaoui als erstem Belgier nordafrikanischer Herkunft vom belgischen Königspalast der Titel eines Barons verliehen.
In den letzten Jahren hat Sidi Larbi Cherkaoui mehrere seiner Arbeiten in Österreich gezeigt, darunter Fractus V, Vlaemsch (chez moi) und Corrupt (Teil von The Seven Sins von Gauthier Dance). In der kommenden Saison wird Tanz Linz mit Neuinszenierungen von Fall und Orbo Novo dem österreichischen Publikum zwei weitere Stücke vorstellen.
2025